Hoffnung

Manchen von uns ist sie vielleicht abhandengekommen, andere halten unermüdlich an ihr fest. Und für einige war sie vielleicht im Leben schon einmal das letzte, was ihnen geblieben ist. Die Hoffnung.

Damit wir sie nicht vergessen, stellt sie sich uns vor:

Darf ich mich vorstellen?

Ich bin die Hoffnung. Ich bin eine, die bleibt. Bis zuletzt. Das zeichnet mich aus.

Ich bin die Fähigkeit mehr zu sehen, als das was jetzt ist. Ich bin der Blick ins Ungewisse. Nicht immer rosig, aber ich male nie schwarz.

Auch wenn manche mich so nennen. Ich bin kein leeres Versprechen. Wenn ich Nahrung kriege, bin ich nicht zu bremsen.

Dann bin ich der Mut, der auf die Straße geht, das Mitgefühl am Krankenbett, die Vorfreude auf einen Neuanfang, das Ende einer schweren Zeit.

Ich bin zukunftsweisend, schwer zu greifen. Manchmal bin ich nur ein kleiner Schimmer oder ein springender Gedanke.

Ich bin keine Wunscherfüllerin und keine Au-morgen-Vertrösterin. Aber ich bin vorausschauend, auch für die unsicherste Zukunft. Denn es gibt immer einen neuen Tag, einen neuen Morgen, eine Zeit danach.

Im Zweifelsfall kann man mich gut teilen. Dann springt ein Funke von mir über und kann dem helfen, der mich längst aufgegeben hat. Ich gebe jedenfalls nicht auf, weil ich weiß, ich werde gebraucht. Von den Kleinen, von den Großen.

Da kann kommen, was will. Da kann kommen, wer will. Schon häufiger dachte man, ich wäre gestorben. Aber ich brauche nicht viel zum Überleben.

Ich brauche nur ein Lied, das sich traut vom Frieden zu singen. Ich brauche nur einen Träumer, der nicht aufhört von Gerechtigkeit zu reden. Ich brauche nur ein Kind, das ein Recht darauf hat, mich zu kennen. Und dann brauche ich noch meine besten Freunde. Den Glauben und die Liebe. Wir drei sind unzertrennlich. Glaube, Hoffnung, Liebe. Wir sind da, auch wenn man uns nicht auf Anhieb immer direkt erkennt.

Der Glaube und ich ergänzen uns gut. Da, wo er aufhört, kann ich weitermachen. Da wo er unsicher ist, kann ich stärken. Und umgekehrt. Da, wo man mich nicht sehen kann, tröstet er. Immer dann, wenn scheinbar alle Worte gesprochen sind. Immer dann, wenn keine Besserung mehr in Sicht ist. Immer dann, wenn Angst und Schrecken in der Welt verbreitet werden. Dann ist der Glaube da und verändert meine Perspektive.

Es heißt, die Liebe ist die Größte unter uns Dreien. Und das stimmt. Ich kann mir sicher sein. Solange die Liebe existiert, kann auch ich überleben.

Dann setzen Menschen voller Liebe Zeichen in die Welt, um mich als Hoffnung für alle sichtbar zu machen.

Sie zünden Kerzen an. Sie stecken sich Ringe an. Sie nehmen Abschied und sagen Aufwiedersehen. Sie bekommen neues Leben. Sie pflanzen einen Baum. Sie bauen ein Haus. Sie falten die Hände. Sie helfen anderen in Not. Sie teilen das Brot. Und sehen ein Licht am Ende des Tunnels.

Da bin ich, die Hoffnung, die bleibt bis zuletzt.

Dass die Hoffnung sich immer wieder bei uns vorstellt, das wünscht sich

Pfarrerin Anne Wellmann aus Tönisvorst (aus der Morgenandacht im WDR)

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